AFD Brandner BVerfG hat entschieden!
Ich hatte ja gestern schon im Lifestream darauf hingewiesen: Heute entscheidet das BVerfG über AFD Brandner bzw. den Eilantrag, diesen wieder als Vorsitzenden des Rechtsausschusses einzusetzen. Nunmehr hat das BVerfG entschieden und den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Was zuerst für viele als Niederlage der AFD aussieht, könnte sich als Teilerfolg herausstellen. Das BVerfG stellt fest, dass die Hauptsache entschieden werden muss, insbesondere nicht offensichtlich erfolglos ist:
Die Fraktionen im Deutschen Bundestag haben ein aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitetes Recht auf gleiche Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung. Es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung der Fraktionen, der sich auf die Mitwirkungsbefugnis der Abgeordneten in den Ausschüssen erstreckt. Grundsätzlich muss jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein. Dies erfordert eine möglichst getreue Abbildung der Stärke der Fraktionen. Zwar hält sich nach der Rechtsprechung des Senats gerade die Beschränkung der Vergabe von Vorsitzen in Ausschüssen durch die Geschäftsordnung des Bundestages im Rahmen der Geschäftsordnungsautonomie. Hier geht es aber nicht um die Verweigerung eines Ausschussvorsitzes durch die Geschäftsordnung selbst, sondern um einen Posten, der der Antragstellerin nach dieser grundsätzlich zusteht. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht ausgeschlossen, dass Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG der Fraktion hier ein verfassungsrechtliches Teilhaberecht verleiht, das durch die Abberufung beeinträchtigt sein könnte.
Nicht eindeutig ist auch die Rechtslage hinsichtlich des von der Antragstellerin als verletzt gerügten Grundsatzes der effektiven Opposition. Dieser wurzelt im Demokratieprinzip. Aus dem Mehrheitsprinzip nach Art. 42 Abs. 2 GG und den im Grundgesetz vorgesehenen parlamentarischen Minderheitenrechten folgen der Respekt vor der Sachentscheidung der parlamentarischen Mehrheit und die Gewährleistung einer realistischen Chance der parlamentarischen Minderheit, zur Mehrheit zu werden. Dahinter steht die Idee eines offenen Wettbewerbs der unterschiedlichen politischen Kräfte, welcher namentlich voraussetzt, dass die Opposition nicht behindert wird. Demgemäß ist die Bildung und Ausübung einer organisierten politischen Opposition konstitutiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Damit die parlamentarische Opposition ihre Kontrollfunktion erfüllen kann, müssen die im Grundgesetz vorgesehenen Minderheitenrechte auf Wirksamkeit hin ausgelegt werden. Eine effektive Opposition darf dabei nicht auf das Wohlwollen der Parlamentsmehrheit angewiesen sein. Denn die Kontrollbefugnisse sind der parlamentarischen Opposition nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern in erster Linie im Interesse des demokratischen, gewaltengegliederten Staates in die Hand gegeben. Der Grundsatz der Gewaltenteilung im parlamentarischen Regierungssystem gewährleistet daher die praktische Ausübbarkeit der parlamentarischen Kontrolle gerade auch durch die parlamentarische Opposition. Dass die Besetzung eines Ausschussvorsitzes als Kontrollrecht in diesem Sinne aufzufassen ist, ist nicht von vornherein ausgeschlossen.
Die Frage, ob eine Beeinträchtigung der vorgenannten Rechtspositionen vorliegend überhaupt und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden könnte, ist nicht ohne Weiteres zu beantworten.
AFD Brandner BVerfG hat entschieden
Natürlich kann man aus diesen Erwägungen noch nichts herauslesen. Aber Niederlage geht anders. Die Begründung der Ablehnung ist daher auch offen:
III. Die wegen des offenen Verfahrensausgangs zu treffende Interessenabwägung führt zur Ablehnung des Antrags.
- Erginge die einstweilige Anordnung nicht, hätte der Antrag aber letztlich Erfolg, wäre der Abgeordnete Brandner bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptsacheverfahrens daran gehindert, das ihm rechtlich zustehende Amt des Ausschussvorsitzenden auszuüben. Zwar würde das Bundesverfassungsgericht den Beschluss nicht aufheben, da im Organstreitverfahren lediglich die Feststellung eines die Antragstellerin beeinträchtigenden Verfassungsverstoßes begehrt werden kann. Die Antragsgegner wären aber verpflichtet, dem Abgeordneten Brandner in diesem Fall die Wahrnehmung der Befugnisse eines Ausschussvorsitzenden wieder zu ermöglichen.
Allerdings ist Gegenstand des Verfahrens nicht die Rechtsposition eines einzelnen Abgeordneten, sondern die der Antragstellerin als Bundestagsfraktion. Vor diesem Hintergrund hat die Antragstellerin die Möglichkeit, ihre derzeitige Beeinträchtigung durch die Benennung eines anderen Kandidaten für den Vorsitz des Rechtsausschusses selbst zu verringern. Die Ausschussmitglieder der übrigen Fraktionen haben zugesagt, eine andere Person in dieser Position billigen zu wollen. Es besteht derzeit kein Grund, die Ernsthaftigkeit der von der Ausschussmehrheit abgegebenen Zusage in Frage zu stellen. Die Präsentation eines anderen Ausschussvorsitzenden durch die Antragstellerin würde deren Beeinträchtigung zwar nicht vollends beseitigen. Das Interesse der Fraktionen, nicht irgendwelche – den Mehrheitsfraktionen womöglich genehmere – Persönlichkeiten auf für sie wichtige Stellen zu positionieren, erscheint nachvollziehbar. Dass die Antragstellerin aber, wie sie selbst vorträgt, an der Erfüllung ihrer Oppositionsaufgaben vollständig gehindert wäre, trifft nicht zu.
- Würde die einstweilige Anordnung demgegenüber erlassen und erwiese sich der verfahrensgegenständliche Beschluss später als verfassungsgemäß, würde der Rechtsausschuss bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiterhin von einer Person geleitet, die das Vertrauen der Ausschussmehrheit offensichtlich nicht besitzt. Dies gefährdete die Arbeitsfähigkeit des Ausschusses. Zudem griffe der Eilbeschluss in das von Art. 40 Abs. 1 GG garantierte Selbstbestimmungsrecht des Bundestages ein, wozu das Bundesverfassungsgericht nur unter strengen Voraussetzungen im Eilverfahren befugt ist.
Die AFD soll also einen anderen Ausschussvorsitzenden benennen, und das Eilbedürfnis wäre weg. Eine intelligente und gute Erwägung des BVerfG. Dieser Auffassung schließe ich mich an.
Brandner und die AFD sollten sich selbstkritisch zeigen. Ich bin zwar auch der Meinung, dass es nicht um die Arbeit Brandners ging sondern um Generalabrechnung mit der AFD, aber da muss der der die Funktionalität der Parlamente sicherstellen will eben mit gutem Beispiel vorangehen. Wie seht ihr das?