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Zensur bei Horst Mahler?

Muss der bekennende Holocaustleugner und Rechte Horst Mahler, ehemaliger linker Anwalt und Verteidiger der RAF Zensur hinnehmen? Wird Zensur bei Horst Mahler zum Alltag und er muss jede Rede und jeden journalistischen Beitrag durch das Landeskriminalamt München absegnen lassen? Diesen Schluss lässt ein Antrag der Staatsanwaltschaften in Bayern zu. Die Sueddeutsche berichtet hierüber.

Screenshot des Sueddeutsche Artikels mit Bildnis von Horst Mahler

Worum geht bei bei Zensur bei Horst Mahler?

Horst Mahler war wegen diverser Straftaten von verschiedenen Gerichten zu Gefängnisstrafen verurteilt worden, insgesamt 12 Jahre. Rechtlich ging es meist um Volksverhetzung durch Holocaustleugnung. Eine Strafaussetzung zur Bewährung nach verbüßten 2/3 lehnte das Brandenburgische Oberlandesgericht auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft München II ab, obwohl Mahler inzwischen zwei Beinamputationen hinter sich hat, weil von ihm weitere Straftaten zu erwarten sind. Nunmehr also soll Mahler entlassen werden, irgendwann kann der beste Staat oder der schlimmste einen Menschen nicht länger hinter Gittern verrotten lassen. Und deshalb hat sich die Staatsanwaltschaft München II etwas besonderes einfallen lassen: Im Rahmen der Führungsaufsicht soll Mahler in Zukunft jeden Rede- und Schreibbeitrag vorab beim Landeskriminalamt einreichen müssen. Ist das Zensur, fragt sich die Sueddeutsche zurecht.

Staatsanwaltschaft München II dementiert Zensur bei Horst Mahler

Die Staatsanwalt dementiert diesen Vorwurf natürlich. Denn Mahler darf ja alles sagen und schreiben, es muss es quasi vorher nur anmelden. Und das sei keine Zensur.

Die Rechtsprechung hierzu ist nicht abschließend geklärt.

1. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst grundsätzlich – in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG – auch die Verbreitung rechtsextremistischer Meinungen (vgl. BVerfGE 124, 300, 320).

2. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet. Es findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Hierunter fällt auch die Weisungsbefugnis im Rahmen der Führungsaufsicht gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 4 StGB, da dieser keine inhaltsbezogene Meinungsbeschränkung zum Gegenstand hat, die sich von vornherein nur gegen bestimmte Überzeugungen, Haltungen oder Ideologien richtet (vgl. BVerfGE 124, 300, 323). Auch im Übrigen bestehen an der Verfassungsmäßigkeit des Instituts der Führungsaufsicht keine grundsätzlichen Zweifel.

(…)

4. Bei einer präventiven Zwecken dienenden Schrankenbestimmung ist für die insoweit maßgebliche Gefahrenprognose die Feststellung nachvollziehbarer tatsächlicher Anhaltspunkte vonnöten. Bloße Vermutungen reichen hierfür grundsätzlich – unabhängig von dem normativ geforderten Grad der Wahrscheinlichkeit der Gefahr – nicht aus. Des Weiteren ist eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Abwägung zwischen der durch die Meinungsäußerung drohenden Beeinträchtigung von Rechtsgütern einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihre Einschränkung andererseits erforderlich (vgl. zuletzt: BVerfGE 124, 300, 342 i.V.m. 331 ff.). Im Rahmen einer solchen Abwägung sind grundsätzlich die Art und die Schwere des Grundrechtseingriffs zu dem Eingriffsanlass, namentlich Rang und Qualität des mit der Norm verfolgten Schutzgutes sowie Grad der drohenden Gefahr, in einen angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 120, 274, 326 f.).

5. Die „Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“, enthält kein hinreichend bestimmtes Rechtskriterium, mit dem einem Bürger die Verbreitung bestimmter Meinungen verboten werden kann.

(…)

7. Zwar wäre es möglicherweise nicht von vornherein ausgeschlossen, einem verurteilten Straftäter, der seine Strafe voll verbüßt hat, für die Zukunft durch eine Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Abs. 1 Nr. 4 StGB in Bezug auf bestimmte Situationen auch die Verbreitung von Meinungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle zu verbieten. Bei Maßnahmen, die an den Inhalt einer Äußerung anknüpfen, bedarf es jedoch einer besonders sorgfältigen Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit und dem Grad der Wahrscheinlichkeit insoweit drohender Rechtsgutverletzungen andererseits. Unverhältnismäßig sind jedenfalls an Meinungsinhalte anknüpfende präventive Maßnahmen, die den Bürger für eine gewisse Zeit praktisch gänzlich aufgrund seiner gehegten politischen Überzeugungen von der – die freiheitlich demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierenden – Teilhabe an dem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ausschließen; dies kommt einer Aberkennung der Meinungsfreiheit selbst nahe, die nur unter den Bedingungen des Art. 18 GG zulässig ist.

Bundesverfassungsgericht

Man darf auch extreme Meinungen haben

Man darf also auch extreme Meinungen haben, was nach dem einfachen Studium des Grundgesetzes wenig überraschend ist. Nur das Bundesverfassungsgericht kann es absprechen, dass jemand die Meinungsfreiheit geniesst, Art. 18 GG:

Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.

Art 18 GG

Zensur ist nach ständiger Definition

von zuständiger, besonders staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle, Überprüfung von Briefen, Druckwerken, Filmen o. Ä., besonders auf politische, gesetzliche, sittliche oder religiöse Konformität

Duden

In Deutschland findet Zensur aber nicht statt, Art. 5 I GG:

Eine Zensur findet nicht statt.

Art 5 I GG

Gleichzeitig darf der Staat natürlich weitere Straftaten bereits im Keim ersticken.

Doch warum versucht man dann nicht den Weg über das BVerfG, um ihm die Rechte i.S. Art 18 GG wegzunehmen? Stattdessen wird mit diesem Taschenspielertrick deutlich gemacht, dass der Rechtsstaat selbst bereit ist, seine Grenzen zu überschreiten, um Menschen zu sanktionieren die er nicht leiden mag. Ich habe hier mehrfach schon kritisiert, dass der Staat nicht in der Lage ist, sich an seine eigenen Regeln zu halten und teils übel Nachtritt.

Natürlich ist Horst Mahler hier nicht irgendwer, sondern ein Paradiesvogel des Extremismus.

Wer ist Horst Mahler?

Horst Mahler war erst SPD Mitglied, dann Mitglied einer schlagenden Studentenverbindung, dann Mitglied des Sozialistischen Anwaltskollektivs und vertrat dabei viele Studenten, die später Mitglieder der RAF wurden. Mahler selbst wurde Gründungsmitglied der Rote Armee Fraktion und dann erstmals zu Haftstrafen wegen Bankraubs verurteilt.

Nach dieser Zeit machte er einen extremen Wandel durch, von der Extremistischen Linken hin zur Extremistischen Rechten. Das Urgestein des Linksextremismus wurde plötzlich zum Holocaust-Leugner, zeitweise NPD Mitglied und – Anwalt. Weitere Verurteilungen wegen Holocaustleugnung, Morddrohunge, antisemitistischer Äußerungen und verfassungswidriger Betätigung folgten. Er scheint unbelehrbar, sogar in Haft verfasste er als antisemitisch zu sehende Schriften.

Den vollständigen Wikipediaartikel findet ihr hier.

Zensur zulässig wegen Wiederholungsgefahr?

Es liegt also nahe, dass man eine Wiederholungsgefahr sieht und daher Beschränkungen in der Führungsaufsicht zulassen möchte. Nur dürfen diese so weit gehen und Zensur, die Verboten ist, ausüben?
Eine Pflicht zur Anzeige ist bereits per se Zensur. Denn ich kann damit nicht mehr spontan meine Meinung auf einer Demo oder gegen eine Rede eines Politikers kund tun. Gleichwohl ist es eben so, dass Mahler wohl unbelehrbar sein dürfte, wie der Vorfall 2012/2013 in Haft (!) zeigte.

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Ich selber vertrete ja auch die Auffassung, dass ein echter Rechtsstaat mit echter Meinungsfreiheit dumme Meinungen wie Holocaustleugnung aushalten können muss. Eine Grenze kann erst dann erreicht sein, wenn die Leugnung dazu führt, dass andere zu Handlungen animiert werden (siehe zum Beispiel die Moscheeschließung nach der Bluttat von Paris).

Leider hat der deutsche Staat hier kein Vertrauen in seine eigenen Bürger (weshalb es ja auch keine Verfassungsabstimmung gibt!). Damit wird aber solchen Menschen wie Horst Mahler wieder eine Bühne geboten, die vermeidbar wäre.

Fazit

Lasst den alten Mann seine kruden Theorien verbreiten. Ein Rechtsstaat muss dies aushalten. Eine Staatsanwaltschaft sollte daher alles vermeiden, das wie Zensur aussieht oder wirkt. Denn: Zensur findet nicht statt.

Update 27.10.2020

Heute berichtet auch der Spiegel über das Thema mit bemerkenswerten Schlüsse

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/host-mahler-kommt-aus-dem-gefaengnis-rechtsextremist-spielt-auf-zeit-a-0b7d95ff-5112-4f6a-968e-2e9d3be31577:

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